Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) markiert einen zentralen Wendepunkt für ein inklusives, digitales Europa. Erstmals verpflichtet es große Teile der Privatwirtschaft dazu, digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Grundlage ist der European Accessibility Act (EAA), der europaweit einheitliche Standards schaffen soll, damit Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt am digitalen Leben teilnehmen können.

Die Ziele des BFSG im Überblick

Das Gesetz verfolgt drei zentrale Ziele, die die digitale Landschaft nachhaltig verändern werden:

Zugang für Menschen mit Behinderungen

Das BFSG soll die gleichberechtigte Teilhabe am digitalen Leben sicherstellen, indem digitale Barrieren reduziert oder vollständig beseitigt werden.

Betroffen sind Menschen mit:

  • Sehbehinderungen
  • Hörbeeinträchtigungen
  • Motorischen Einschränkungen
  • Kognitiven Beeinträchtigungen

Ziel: Digitale Produkte müssen ohne zusätzliche Hürden nutzbar sein – unabhängig von der Art der Behinderung.

Umsetzung der EU-Richtlinie (European Accessibility Act – EAA)

Deutschland setzt mit dem BFSG verbindlich die europäische Vorgabe um. Unternehmen erhalten damit klare, EU-weit harmonisierte Standards, an denen sie sich orientieren müssen.

Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes

Der EAA/BFSG schafft europaweit vergleichbare Anforderungen, was:

  • Die Produktentwicklung vereinfacht
  • Den Handel erleichtert
  • Wettbewerbsverzerrungen reduziert

Digitalanbieter müssen also nicht mehr in jedem EU-Land unterschiedliche Regeln beachten.

BFSG
BFSG auf einen Blick

Geltungsbereich: Was fällt unter das BFSG?

Das Gesetz unterscheidet zwischen Produkten und Dienstleistungen, die seit dem 28. Juni 2025 barrierefrei sein müssen.

Betroffene Produkte

Unter das BFSG fallen unter anderem:

  • Computer und Betriebssysteme
  • Smartphones und Tablets
  • Geldautomaten & Fahrausweisautomaten
  • E-Book-Lesegeräte
  • Router und Telekommunikationshardware
  • Smart Devices (z.B. Smart Home Steuergeräte, Smart Speaker)
  • Zahlungsterminals

Dabei gelten strengere Anforderungen als bei Websites, da physische Geräte zusätzliche Anforderungen wie Haptik, Bedienbarkeit oder visuelle Rückmeldungen erfüllen müssen.

Betroffene Dienstleistungen

Dienstleistungen sind BFSG-pflichtig, wenn sie digital, kommerziell und für Endverbraucher gedacht sind.

Dazu zählen u.a.:

  • Online-Shops (Shopify, WooCommerce, Shopware etc.)
  • Websites mit Buchungs-, Bestell- oder Bezahlfunktion
  • Banking & Finanzdienste
  • Telekommunikationsdienste
  • E-Learning-Plattformen
  • Software & SaaS-Dienste
  • Streamingplattformen
  • E-Book-Dienste
  • Verkehrs- & Ticketbuchungsdienste

Wichtig: Reine Unternehmenswebseiten ohne Interaktionsmöglichkeiten („digitale Visitenkarten“) sind häufig nicht betroffen — aber schon ein Kontaktformular oder Online-Buchung kann die BFSG-Pflicht auslösen.

Ausnahmen vom BFSG

Das BFSG berücksichtigt drei wesentliche Ausnahmen:

1. Ausnahmen für Kleinstunternehmen
Ein Unternehmen ist ausgenommen, wenn es:

  • Unter 10 Mitarbeiter beschäftigt
  • Unter 2 Mio. € Umsatz oder Bilanzsumme erzielt

Diese Ausnahme bezieht sich vor allem auf Dienstleistungen. Bei Produkten ist die Ausnahme enger gefasst.

2. Unverhältnismäßige Belastung
Unternehmen können sich auf Unverhältnismäßigkeit berufen, wenn:

  • Die technische Umsetzung nachweislich unmöglich ist
  • Die wirtschaftliche Belastung die Unternehmensstabilität gefährdet
  • Der Kernnutzen des Produkts zerstört würde

ABER: Dies muss nachgewiesen, dokumentiert und begründet werden. Es dient nicht als leichtfertige Ausrede.

3. Bestandsprodukte
Produkte, die vor dem 28. Juni 2025 auf den Markt gebracht wurden, dürfen in bestimmten Fällen weiter verkauft werden.

Konsequenzen bei Nichteinhaltung

Viele Unternehmen unterschätzen den rechtlichen Druck hinter dem BFSG. Dabei sieht das Gesetz harte Konsequenzen vor:

Bußgelder

Bei Verstößen drohen:

  • Bis zu 10.000 € bei „normalen“ Verstößen
  • Bis zu 100.000 € bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen

Die Höhe orientiert sich am Einzelfall, der Schwere der Barrieren und dem verursachten Schaden.

Marktüberwachung

Öffentliche Behörden prüfen die Einhaltung des BFSG. Sie können:

  • Anforderungen an den Betreiber stellen
  • Fristen zur Nachbesserung setzen
  • Dienstleistungen oder Produkte vom Markt nehmen
  • Verkaufsverbote aussprechen

Rechtsmittel durch Verbraucher & Verbände

Verbraucher sowie Verbände (z.B. Behindertenverbände) können:

  • Beschwerde einreichen
  • Untersuchungen erzwingen
  • Rechtswege einschlagen

Wettbewerbsrecht

Unternehmen riskieren auch:

  • Abmahnungen durch Wettbewerber, wenn die eigene Website oder der eigene Shop nicht BFSG-konform ist.

Besonders betroffene Branchen

E-Commerce

Online-Shops müssen vollständige Barrierefreiheit gewährleisten – inklusive Checkout, Navigation, Filter, Varianten, Formularführung.

Banken & Finanzdienstleister

Onlinebanking, Apps, Geldautomaten und digitale Zahlungsdienste sind voll BFSG-pflichtig.

Telekommunikation

Router, Tarife, Apps, Kundenportale — alles BFSG-pflichtig.

Bildung & E-Learning

Videos benötigen Untertitel, Tools müssen tastaturbedienbar sein, Kurse benötigen barrierefreie Strukturen.

Gesundheitswesen

Arztpraxen und Kliniken mit Online-Terminbuchung oder Formularen fallen in die BFSG-Pflicht.

Softwarehersteller & SaaS-Anbieter

Frontend, UI, Bedienlogik und Formulare müssen WCAG-konform sein.

Umsetzung für WordPress: Plugins, Tools & individuelle Lösungen

Für WordPress-Websites stehen verschiedene Lösungen zur Verfügung, die jedoch nur als Teil eines Gesamtkonzepts wirksam sind.

WordPress-Plugins für Barrierefreiheit

Empfohlene Plugins:

  • WP Accessibility – Grundlegende Barrierefreiheits-Funktionen
  • One Click Accessibility – Schnelle Zugänglichkeits-Toolbar
  • Accessibility Checker (Equalize Digital) – Umfassende Prüfungen
  • UserWay Accessibility Widget – Accessibility-Widget mit vielen Funktionen
Umsetzung für WordPress: Plugins, Tools & individuelle Lösungen

Spezielle Anforderungen für WooCommerce

Für Online-Shops mit WooCommerce sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich:

  • Barrierefreie Produktvarianten – Klare Beschreibung und Auswahl
  • Korrekte Formular-Labels – Semantisch korrekte Formularfelder
  • Tastaturbedienbarkeit prüfen – Vollständige Navigation ohne Maus

Individuelle technische Umsetzung

Für professionelle Websites und Shops sind Plugins allein nicht ausreichend. Hier braucht es:

1. Barrierefreies UI/UX-Design

  • Kontrast & Farbkonzept
  • Lineare Navigations- und Fokusführung

2. Saubere Semantik

  • Korrektes HTML
  • ARIA-Labels
  • Saubere Dokumentstruktur

3. Screenreader-Kompatibilität
Test mit:

  • NVDA
  • JAWS
  • VoiceOver

4. Manuelles Testing

  • Tastaturnavigation
  • Fokussteuerung
  • Fehlermeldungen bei Formularen

5. Dokumentationspflicht
BFSG verlangt in Teilen:

  • Konformitätserklärung
  • Technische Dokumentation
  • Feedback- und Beschwerdemöglichkeiten

Umsetzungsfahrplan für Unternehmen

Schritt-für-Schritt zur BFSG-Konformität:

  1. BFSG-Relevanz prüfen
    • Fällt die eigene Website/Produkt unter das Gesetz?
  2. Technischen Status prüfen
    • Ist die Seite derzeit WCAG-konform?
  3. Maßnahmenplan erstellen
    • Was kann durch Plugins erledigt werden?
    • Was erfordert Entwicklungsarbeit?
  4. Umsetzung starten
    • Entwicklung, Tests, Dokumentation
  5. Kontinuierlich prüfen
    • Barrierefreiheit ist kein einmaliger Akt, sondern ein dauerhaftes Qualitätsmerkmal

FAQ – Häufige Fragen zum BFSG

Wie bei allen Neuerungen im Bereich von Gesetzten und deren Umsetzungen gibt es zahlreiche Fragen, die sich Unternehmen dazu stellen:

Wer muss das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umsetzen?

Das BFSG müssen alle Unternehmen umsetzen, die digitale Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher (B2C) anbieten. Dazu gehören:

  • Hersteller, Händler und Importeure bestimmter Geräte (z. B. Smartphones, Geldautomaten, Router)
  • Anbieter digitaler Dienstleistungen wie Online-Shops, Banking, Telekommunikation, E-Book-Dienste, Ticketbuchungssysteme
  • Softwareanbieter (SaaS), Streamingdienste und E-Learning-Systeme

Wichtig:
Es betrifft nicht nur große Unternehmen, sondern auch kleinere Betriebe – sobald sie digitale Endkundenprodukte oder digitale Dienstleistungen bereitstellen.

Welche Unternehmen sind vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ausgenommen?

Vom BFSG ausgenommen sind Kleinstunternehmen, die:

  • weniger als 10 Mitarbeitende haben
  • weniger als 2 Mio. € Jahresumsatz oder Bilanzsumme erzielen

Diese Ausnahme gilt jedoch überwiegend für Dienstleistungennicht vollständig für Produkte, wenn diese unter die BFSG-Produktgruppe fallen.

Ab wann gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025?

Das BFSG wird verbindlich ab dem 28. Juni 2025 wirksam.

Ab diesem Zeitpunkt müssen Produkte und digitale Dienstleistungen, die in den Geltungsbereich fallen, barrierefrei gestaltet sein.

Bereits vor 2025 auf den Markt gebrachte Produkte können unter bestimmten Bedingungen weiter verkauft werden.

Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?

Das BFSG ist ein deutsches Gesetz, das die EU-Richtlinie European Accessibility Act (EAA) umsetzt.
Es verpflichtet Unternehmen, digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zugänglich zu machen, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am digitalen Leben teilnehmen können.

Es schafft erstmals europaweit einheitliche Standards für Barrierefreiheit im Privatsektor.

Wann tritt der European Accessibility Act in Kraft?

Der European Accessibility Act (EAA) wurde bereits 2019 als EU-Richtlinie verabschiedet.
Die verpflichtende Umsetzung in allen EU-Mitgliedsstaaten erfolgt ab 28. Juni 2025.

Das deutsche BFSG ist die nationale Umsetzung dieses EU-Rechts.

Für welche Produkte gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?

Das BFSG gilt u. a. für folgende Produktgruppen:

  • Computer & Betriebssysteme
  • Smartphones, Tablets & Zubehör
  • Router, Modems & Telekommunikationshardware
  • Geldautomaten & Fahrausweisautomaten
  • Zahlungsterminals
  • E-Book-Lesegeräte
  • Smart-Home-Steuergeräte
  • Digitale Assistenten

Die Anforderungen beziehen sich auf Bedienbarkeit, Wahrnehmbarkeit, Kompatibilität mit Assistenztechnologie und Nutzerfreundlichkeit.

Für wen gilt die Pflicht zur Barrierefreiheit?

Die Pflicht gilt für:

  • Hersteller digitaler Produkte
  • Händler
  • Importeure
  • Dienstleistungsanbieter, die digitale Angebote für Verbraucher bereitstellen

Sogar Unternehmen, die „nur“ digitale Dienstleistungen wie Online-Bestellungen, Buchungen oder Zahlungen anbieten, sind verpflichtet.

Für welche Produkte gilt das Produkthaftungsgesetz nicht?

Das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) gilt nicht für:

  • gebrauchte Produkte, die nicht wiederaufbereitet wurden
  • rein handwerkliche Dienstleistungen
  • immaterielle Inhalte (z. B. reine Informationen ohne Produktbezug)
  • Produkte, die nicht gewerblich in Verkehr gebracht wurden
  • nachträgliche Software-Änderungen durch den Nutzer selbst

Diese Frage ist nur am Rand BFSG-relevant, aber wichtig für Abgrenzungen.

Was muss in der Barrierefreiheitserklärung stehen?

Eine BFSG-konforme Barrierefreiheitserklärung muss:

  1. Den Stand der Barrierefreiheit des Produktes/der Website beschreiben
  2. Nicht-barrierefreie Inhalte benennen und begründen
  3. Einen barrierefreien Kommunikationsweg für Feedback angeben
  4. Eine Kontaktmöglichkeit zur Durchsetzungsstelle bereitstellen
  5. Verwendete Bewertungsmethoden dokumentieren
  6. Datum der Erstellung & Aktualisierung enthalten

Sie ist verpflichtend, öffentlich zugänglich und regelmäßig zu aktualisieren.

Was muss in der Erklärung zur Barrierefreiheit stehen?

Die Erklärung muss folgende Punkte abdecken:

  • Konformität mit den geltenden Standards (z. B. WCAG 2.1 AA)
  • Methodik der Bewertung (Selbsttest, externes Audit etc.)
  • Auflistung der Bereiche, die noch nicht barrierefrei sind
  • Begründung für Ausnahmen oder unverhältnismäßige Belastungen
  • Angabe eines Feedbackmechanismus
  • Verlinkung zur Schlichtungsstelle

Dies ist rechtlich vorgeschrieben.

Welche Dokumente müssen barrierefrei sein?

Folgende Dokumente müssen barrierefrei bereitgestellt werden, wenn sie Verbrauchern digital zur Verfügung gestellt werden:

  • PDF-Dokumente
  • Rechnungen
  • Vertragsdokumente
  • Produktinformationen
  • Anleitungen & Gebrauchsanweisungen
  • Formulare
  • Informationsmaterial
  • AGB & Datenschutzerklärungen

Ein PDF ist NICHT automatisch barrierefrei – es benötigt Tags, Lesereihenfolge, Alternativtexte, semantische Strukturen und Kontrastoptimierung.

Was fällt alles unter Barrierefreiheit?

Barrierefreiheit umfasst die Fähigkeit eines digitalen Produkts, dass es von Menschen mit verschiedenen Einschränkungen ohne zusätzliche Unterstützung genutzt werden kann:

Dazu gehören:

  • Visuelle Barrierefreiheit
    (Kontrast, Screenreader-Kompatibilität, Textgrößen)
  • Auditive Barrierefreiheit
    (Untertitel, Transkripte, visuelle Signale)
  • Motorische Barrierefreiheit
    (Tastaturbedienbarkeit, keine Präzisionsanforderungen)
  • Kognitive Barrierefreiheit
    (klare Struktur, einfache Navigation, verständliche Sprache)
  • Technische Barrierefreiheit
    (sauberes HTML, ARIA-Labels, Fokusmanagement)
  • Haptische & physische Barrierefreiheit bei Geräten
    (taktiles Feedback, kontrastreiche Anzeigen)

Barrierefreiheit umfasst also viel mehr als Kontraste oder Alt-Texte – es betrifft das gesamte Design- und Technikkonzept.

BFSG als Chance begreifen und nicht als Pflicht

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist eines der wichtigsten digitalen Gesetze des Jahrzehnts. Es schützt Verbraucher, schafft faire Wettbewerbsbedingungen und sorgt dafür, dass digitale Produkte endlich universell zugänglich werden.

Unternehmen, die frühzeitig handeln, vermeiden nicht nur Bußgelder und Abmahnungen, sondern gewinnen:

  • Höhere Nutzerfreundlichkeit
  • Bessere SEO und Conversion
  • Größere Reichweite
  • Ein zukunftsfähiges, gesetzeskonformes digitales Angebot